Die Königsdisziplin des Anlegens ist der Handel mit Aktien. Mit ihnen sind deutlich höhere Gewinne möglich als zum Beispiel mit Anleihen. Im Gegenzug nehmen Aktienanleger*innen größere Kursschwankungen der Wertpapiere und damit höhere Risiken in Kauf. Die Devise beim Aktienhandel lautet: günstig kaufen und teuer verkaufen. Aber genau das ist die Kunst. Bei der Auswahl der Papiere kann die Fundamentalanalyse helfen.
Diese Methode der Aktienanalyse hat das Ziel, das Aufwärtspotenzial einer Aktie einzuschätzen und berücksichtigt wirtschaftliche Kennzahlen eines Unternehmens wie zum Beispiel Umsatz, Gewinn, Cashflow und Dividende. Die folgenden Kennzahlen und Analysemethoden können dir bei der Bewertung einer Aktie helfen.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)
Bei der Fundamentalanalyse gilt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) als wichtigste Kennziffer. Das KGV setzt den aktuellen Kurs einer Aktie in Relation zum Gewinn je Aktie. Es gibt damit an, inwieweit sich der Gewinn in der Bewertung des Unternehmens durch den Kurs niederschlägt. Mit Hilfe des KGV lässt sich abwägen, ob eine Aktie vom Markt günstig oder bereits überbewertet ist.
Für das KGV berechnet man im ersten Schritt den Gewinn pro Aktie. Dazu dividierst du den Jahresüberschuss (Gewinn nach Steuern) des entsprechenden (börsennotierten) Unternehmens durch die Zahl der ausgegebenen Aktien und erhältst so den Gewinn je Aktie. Im zweiten Schritt errechnest du das KGV, indem du den aktuellen Aktienkurs durch deinen errechneten Gewinn je Aktie teilst.
Konkret sieht das wie folgt aus:
Schritt 1:
Gewinn je Aktie = Jahresüberschuss des Unternehmens / ausgegebene Aktien
Beispiel: Ein Unternehmen erzielt einen Jahresgewinn von 1.000.000 Euro und hat 500.000 Aktien ausgegeben. Dann beträgt der Jahresgewinn pro Aktie 2 Euro.
Schritt 2:
KGV = Aktienkurs / Gewinn pro Aktie
Beispiel: Die Aktie notiert bei 20 Euro, der Jahresgewinn pro Aktie beträgt 2 Euro. 20 geteilt durch 2 ergibt 10. Das KGV beträgt also 10.
Das KGV gibt Auskunft darüber, mit welchem Vielfachen seines Gewinns ein Unternehmen an der Börse bewertet ist. Ein KGV von 10 bedeutet also, dass es zehn Jahre dauert, bis das Unternehmen den aktuellen Wert der Aktie als Gewinn erwirtschaftet hat. Daraus ergibt sich: Je niedriger das KGV, desto günstiger ist die Aktie bewertet. Faustformel: Ein KGV unter 12 gilt als günstig, zwischen 12 und 16 als fair und über 16 als hoch bewertet.
Kurs-Gewinn-Verhältnisse können je nach Branche eine unterschiedliche Bedeutung haben. Zum Beispiel haben Technologieunternehmen oft höhere KGVs als Unternehmen aus anderen Branchen. Vergleiche daher am besten nur Einzelwerte der gleichen Branche. Eine Faustformel ist: Ein KGV unter 12 gilt als günstig, zwischen 12 und 16 als fair und über 16 als hoch bewertet.
Das Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV)
Beim Cashflow werden Ein- und Auszahlungen eines Unternehmens innerhalb eines bestimmten Zeitraums gegenübergestellt. Der Cashflow gibt Auskunft über die Innenfinanzierungskraft eines Unternehmens und zeigt somit, wie viel Geld ein Unternehmen zur sofortigen Verfügung hat. Mit dem sogenannten Cash-Flow-Statement (Kapitalfluss-Rechnung) veröffentlichen börsengelistete Unternehmen die Ein- und Auszahlungen in ihren Quartalsberichten.
Um das Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV) zu ermitteln, wird zunächst der Cashflow pro Aktie berechnet und dann zum Aktienkurs ins Verhältnis gesetzt.
Schritt 1:
Cashflow pro Aktie = Cashflow / Anzahl der Aktien
Schritt 2:
KCV = Aktienkurs / Cashflow pro Aktie
Je größer der Cashflow pro Aktie, desto kleiner ist das KCV und desto besser fällt die Bewertung der Aktie aus.
Ein Kurs-Cashflow-Verhältnis unter 1 gilt als Indikator für eine unterbewertete Aktie.
Das Gewinnwachstum
Anhand des Gewinnwachstums kannst du die Gewinnentwicklung eines bestimmten Zeitraums beurteilen. Dazu vergleichst du beispielsweise den Jahresüberschuss des Unternehmens im aktuellen Quartal oder Jahr mit dem vorherigen Quartal oder mit dem Vorjahr.
Beispiel: 2020 hat das Unternehmen einen Jahresüberschuss von 1.000.000 Euro erzielt. 2021 hat es 1.100.000 Euro erwirtschaftet. Setzt man beide Zeiträume ins Verhältnis, erhältst du ein Gewinnwachstum von 10 Prozent.
Der Jahresüberschuss gibt den Betrag an, der nach Abzug der Aufwendungen vom Umsatz übrig bleibt. So sind in den Aufwendungen unter anderem auch Zinszahlungen und Steuern enthalten. Eine bessere Beurteilung und Vergleichbarkeit des operativen Geschäfts von Unternehmen lässt die Kennzahl EBIT (Earnings before Interest and Taxes) zu. Dies ist der Gewinn vor Zinsen und Steuern, den börsennotierte Unternehmen in ihren Geschäftsberichten ebenso wie den Jahresüberschuss (Nettoergebnis) veröffentlichen.
Die Dividendenrendite
Die Dividende ist der Teil des Gewinns, den eine Aktiengesellschaft (AG) einmal pro Jahr an seine Aktionäre ausschüttet. Erzielt etwa ein Unternehmen in einem Geschäftsjahr einen Gewinn (Jahresüberschuss) von 1.000.000 Euro, werden zum Beispiel bei einer Ausschüttungsquote von 50 Prozent insgesamt 500.000 Euro an die Aktionäre ausgezahlt.
Um abzuschätzen, wie dividendenstark die AG ist, setzt du die ausgeschüttete Dividende ins Verhältnis zum aktuellen Aktienkurs. Daraus ergibt sich eine weitere wichtige Kennzahl bei der Fundamentalanalyse: die Dividendenrendite. Sie wird in Prozent angegeben.
Formel:
Dividendenrendite (in %) = (Dividende je Aktie x 100) / Aktienkurs
Beispiel: Eine Aktie notiert aktuell bei 20 Euro. Wenn die AG zuletzt an die Aktionäre 1 Euro je Aktie ausgeschüttet hat, beträgt die Dividendenrendite der Aktie 5 Prozent. Dies wäre eine stolze Dividendenrendite. Zum Vergleich: Die Dividendenrendite der 40 DAX-Titel liegt laut Schätzung für das abgelaufene Jahr 2021 im Schnitt bei 2,65 Prozent.
Die Dividendenrendite allein sagt über den Wert der Aktie noch nicht viel aus. Steigt zum Beispiel der Kurs einer Aktie innerhalb kurzer Zeit stark an, bedeutet dies, dass die aktuelle Dividendenrendite sinkt (siehe Formel). Die sich hier reduzierte Dividendenrendite muss in unserem Fall aber nicht zu einer negativen Bewertung der Aktie führen. Neben der Dividendenrendite ist ebenfalls interessant, wie oft Unternehmen in der Vergangenheit Dividenden gezahlt haben und wie oft diese erhöht wurden.
Die mögliche Kursentwicklung einer Aktie
Da an der Börse bekanntlich die Zukunft gehandelt wird, sind künftige Gewinne und Dividenden interessante Kennziffern für die Fundamentalanalyse. Eine Meinung dazu musst du dir jedoch anhand von Prognosen und Schätzungen bilden. Dabei gilt: Je weiter entfernt der Berechnungszeitraum ist, desto größer sind die Unwägbarkeiten. Dinge wie Managementfehler, konjunkturelle Flauten oder steigende Kapitalmarktzinsen können dazu führen, dass sich deine Erwartungen nicht erfüllen.
Um Gewinnerwartungen einzuschätzen, kannst du Umsatzprognosen und Nettogewinnmargen (Nettoumsatzrenditen) aus den Bilanzzahlen der Vergangenheit nutzen. Gewinnmargen der Zukunft leitest du aus Konsensschätzungen von Aktienanalyst*innen ab, also aus dem Durchschnitt der einzelnen Bewertungen verschiedener Expert*innen. Diese lassen sich auf Finanzportalen finden. Je größer das betreffende Unternehmen ist, desto zuverlässiger sind solche Schätzungen, denn kapitalstarke Aktiengesellschaften werden von einer Vielzahl von Analyst*innen international beobachtet.
Das Bewertungsmodell der Profis
Einige der bisherigen Überlegungen sollen nun am Beispiel des deutschen Softwarekonzerns SAP durchexerziert werden (Stand: Dezember 2021).
Schritt 1: Prognostiziere Umsatz und Gewinn für 2023
Für 2023 rechnen Analyst*innen im Konsens damit, dass SAP einen Umsatz von rund 30,9 Milliarden Euro erwirtschaftet. Im Schnitt erzielte der Konzern in den vergangenen fünf Jahren (2016 bis 2020) eine Gewinnmarge von rund 16,2 Prozent pro Jahr.
Die Rechnung: Der zu erwartende Unternehmensgewinn für 2023 beträgt daher 16,2 Prozent von 30,9 Mrd. Euro. Das sind 5 Milliarden Euro.
Schritt 2: Berechne die erwartbare Marktkapitalisierung für 2023
Nun berechnest du den Börsenwert, den SAP voraussichtlich 2023 haben wird. Dazu multiplizierst du den Unternehmensgewinn, der für 2023 erwartet wird, mit dem üblichen KGV der SAP-Aktie. In den vergangenen fünf Jahren (2016 bis 2020) lag das KGV bei SAP im Schnitt bei rund 30.
Die Rechnung: 5 Mrd. Euro x 30 = 150 Mrd. Euro. Hintergrund: Ein KGV von 30 bedeutet, dass das Unternehmen einen Wert des 30-fachen Jahresgewinns haben sollte.
Schritt 3: Ermittle den erwarteten Kurszuwachs der Aktie für 2023
Der erwartete Kurszuwachs für die SAP-Aktie in 2023 leitet sich aus der Relation von heutigem Börsenwert und deinem errechneten Börsenwert für 2023 ab. Die SAP-Aktie notiert aktuell bei rund 120 Euro. Der heutige Börsenwert von SAP (ausgegebene Aktien x Kurswert) liegt bei rund 145 Milliarden Euro. Der (erwartete) Börsenwert von SAP für 2023 liegt bei 150 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Wertzuwachs von 3,45 Prozent. Auf eine Aktie heruntergerechnet notiert die SAP-Aktie 2023 nach einem Plus von 3,45 Prozent bei 124,14 Euro.
Die Rechnung: 120 Euro + (3,45 Prozent von 120 Euro) = 120 Euro + 4,14 Euro = 124,41 Euro.
Schritt 4: Die erwartete Dividende für 2023
Um eine ungefähre Vorstellung von der Höhe der Dividende zu bekommen, die SAP im Jahr 2023 auszahlen könnte, kannst du dir die Dividendenrendite der vergangenen Jahre ansehen und auf den geschätzten 2023er Aktienkurs von 124,41 Euro beziehen.
Die Rechnung: In den vergangenen fünf Jahren (2016 bis 2020) erzielten Anleger*innen im Schnitt jährlich eine Dividendenrendite von rund 1,3 Prozent. Bezogen auf den errechneten Börsenwert von 124,41 Euro ergibt das eine erwartete Dividende von rund 1,62 Euro für 2023.
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Chancen und Risiken des Bewertungsmodells
An der Börse gilt der Grundsatz: Wertentwicklungen aus der Vergangenheit bieten keine Garantien für die zukünftige Entwicklung. Daher kannst du natürlich nicht mit Sicherheit prognostizieren, wie sich eine Aktie künftig entwickeln wird. Gleichwohl ermöglicht dir das beschriebene Bewertungsmodell eine relativ objektive Einschätzung darüber, auf welchem Niveau sich eine Aktie im kommenden Jahr befinden könnte und über welches Potenzial sie verfügt.
Fazit
Es lohnt sich, sich mit den betriebswirtschaftlichen (fundamentalen) Kennzahlen eines Unternehmens zu beschäftigen. Auf diese Weise können Anleger*innen aufgrund objektiver Kriterien eigene Erwartungen über künftige Kurs- und Renditeentwicklungen einer Aktie bilden. Dies hilft dabei abzuwägen, ob ein Wertpapier aktuell eher gekauft oder verkauft werden sollte. Wichtig ist dabei, sich nicht nur auf eine oder wenige Kennzahlen zu verlassen.
Vielmehr ergänzen die hier vorgestellten Kennzahlen nur den Blick auf das Unternehmen. Auch wenn die Rechnung nicht immer aufgeht: Das Börsengeschehen ist mitunter so spannend, wie Geschichten mitten aus dem Leben. Und wie im Leben gilt auch an der Börse: Der Weg ist das Ziel. Und das Ziel beim Aktienhandel heißt natürlich immer: günstig kaufen und teuer verkaufen.
Ziel des Aktienhandels ist ...... günstig kaufen und teuer verkaufen. Dafür ist es unter anderem wichtig, sich nicht nur auf eine oder wenige Kennzahlen zu verlassen.