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Zwei Arbeiter kontrollieren Frachtcontainer.

Lieferprobleme: Wie geht es weiter im Welthandel?

Der weltweite Warenaustausch stottert. Die Lieferschwierigkeiten der vergangenen Monate haben verdeutlicht, wie reibungslos Lieferketten bisher funktioniert haben. Wo lange Effizienz an erster Stelle stand, kommen neue Anforderungen hinzu. Dennoch bieten sich Chancen für Anleger*innen.

Februar 2022

Statt der Playstation 5 zum Loszocken lag nur ein Gutschein unterm Weihnachtsbaum. Das schicke Elektrobike ist erst im Herbst wieder lieferbar. Und die deutsche Autoindustrie warnt vor anhaltenden Lieferproblemen, weil die nötigen Mikrochips für Fahrzeuge knapp werden. Die Coronakrise macht Risiken und Nebenwirkungen der Globalisierung deutlich.

Doch die Probleme reichen tiefer als die direkten wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus, warnen Logistiker*innen und Ökonom*innen.

Die Coronakrise macht Risiken und Nebenwirkungen der Globalisierung deutlich.

Die Krise zeigt, wie sehr die Arbeitsteilung und die dazugehörigen Liefersysteme stets auf Effizienz getrimmt wurden. Zudem belasten zusätzliche Faktoren die internationalen Lieferbeziehungen: Die „grüne Transformation“ der Wirtschaft beeinflusst Kosten und Konzepte, Abschottungstendenzen einiger Länder stellen das globale Handelssystem grundsätzlich in Frage.

Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass die Handelsbeziehungen in den kommenden Monaten in die eingespielten Abläufe zurückfinden. Für wahrscheinlicher halten Branchenbeobachter*innen indes, dass grundlegende Veränderungen anstehen. Darin stecken zwar Unwägbarkeiten, doch für gut aufgestellte Unternehmen ergeben sich auch Wachstumschancen.

60 %

betrug der weltweite Anteil der Produktion für den Export Anfang der 2010er-Jahre, 40 Jahre früher waren es rund 30 Prozent.

Der Handel macht die Welt kleiner

Der internationale Handel gilt als ein Garant für allgemeinen Wohlstand und wurde in den letzten Jahrzehnten immer weiter liberalisiert. Zölle und Einfuhrbeschränkungen fielen, der Ausbau der Infrastruktur vereinfachte den Transport. Offenere Grenzen haben den Warenaustausch angetrieben. Anfang der 1970er-Jahre gingen rund 30 Prozent der Produktion weltweit in den Export, 40 Jahre später waren es 60 Prozent. Neben dem Austausch fertiger Produkte ist die Arbeitsteilung zwischen den Volkswirtschaften wichtiger geworden. In fast allen Produkten, die wir heute nutzen, stecken Bestandteile aus unterschiedlichen Teilen der Welt.

Puzzleteile aus aller Welt

Apples iPhone ist das Vorzeigebeispiel für eine globale Lieferkette. „Designed in California” steht stolz auf der Verpackung. In dem Gehäuse aber steckt der halbe Globus. Batterien, Kameraelemente, Halbleiter, Sensoren sowie das Display stammen unter anderem aus China, Deutschland, Japan, der Schweiz, Taiwan und den USA. Vor allem in chinesischen Produktionsstätten werden die Teile zusammengebaut, bevor die Telefone in aller Welt in den Handel gehen.

Internationale Arbeitsteilung ist aber kein Privileg der Technologiebranche. Die Baumwolle für die schicke Sommerbluse kommt aus den Südstaaten der USA, in Japan wird daraus Stoff gewebt, der in Malaysia zugeschnitten und genäht wird. Die Knöpfe im Perlmutt-Stil sind in Südchina aus Spezialplastik gegossen. In Hongkong wird die Ware mit anderen Textilien des Herstellers in Container verladen, dann in alle Welt verschifft.

Risse im Liefersystem

In den vergangenen zwei Jahren hat das Coronavirus die internationale Abhängigkeit als Kehrseite der Globalisierung verdeutlicht. Im Frühjahr 2020 mussten Autohersteller in Europa die Produktion stoppen, nachdem Zulieferer wegen Lockdowns den Betrieb eingestellt hatten. Ein extremer Nachfragesprung für Produkte wie medizinische Schutzkleidung oder Grundstoffe für Medikamente machte öffentlich, wie viele Vorprodukte und Waren bei nur wenigen Herstellern konzentriert sind.

Bis heute ist Sand im Getriebe. Mikroprozessoren, Holz als Baumaterial, Transportkapazität auf Containerschiffen – immer neue Branchen berichten von Schwierigkeiten bei der Beschaffung und damit der Produktion.

Neben Produktionsproblemen bei Zulieferern hat das reduzierte Angebot mit einer erheblich angezogenen Nachfrage zu tun.

Dass das Angebot nicht ausreicht, hat neben den Produktionsproblemen bei Zulieferern mit einer erheblich angezogenen Nachfrage und einer wieder in Schwung kommenden weltweiten Konjunktur zu tun. Mangels Reisen, Restaurantbesuchen und Co. haben Verbraucher*innen Geld gespart, das sie jetzt für langlebigere Konsumgüter ausgeben.

Neue Realität oder Detailanpassungen?

Angesichts der Lieferschwierigkeiten ist in vielen Unternehmen die Rede von einem Strategieschwenk. Die „Glokalisierung“ soll es nun richten, dabei wird ein erheblicher Teil der Produktion wieder näher zu den Verbraucher*innen geholt. Auch die Vorrats- und Lagerhaltung kommt – in Maßen – wieder in Mode, um Ausfälle abzufedern.

Mit rasanten Veränderungen ist dennoch nicht zu rechnen. Das passende Personal für die nötigen Aufgaben steht längst nicht überall zur Verfügung. Zudem engen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie in vielen Branchen den finanziellen Spielraum für fundamentale Umstrukturierungen ein.

Andere Entwicklungen könnten durchaus dafür sorgen, dass ein umfassender internationaler Austausch künftig genauer überdacht wird: Dazu zählen ein wachsender Protektionismus sowie Maßnahmen, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Die zusätzliche Regulierung, etwa der Green Deal der Europäischen Union oder das deutsche Lieferkettengesetz, setzt Unternehmen genauso unter Druck wie die Wünsche der Verbraucher*innen.

Dr. Martin C. Schleper
“Es wird dauern, bis Lieferketten wieder harmonisiert sind”

Mit dem Experten Dr. Martin C. Schleper haben wir über nachhaltige Lieferketten gesprochen.

Vielfältige Optionen für die Geldanlage

Angesichts dieser Trends ist klar, dass sich Unternehmen an das neue Umfeld anpassen müssen. Dies geschieht bereits in einigen Branchen:

Logistik

Die Nachfrage nach den Diensten von Reedereien, Transportunternehmen und Logistikern bleibt hoch und dürfte weiter wachsen. Mehrere Reedereien haben in den vergangenen Monaten ordentliche Gewinne ausgewiesen. Wichtig ist aber auch ein gesunder Ausbau der Kapazitäten, etwa durch zusätzliche Schiffe. Chancen stecken in der Digitalisierung, um Transporte effizienter zu machen, bei der Beladung oder der Vermeidung von Leerläufen.

Automobil

Die Automobilindustrie leidet besonders unter Lieferschwierigkeiten. Fehlende Prozessoren für Fahrzeuge haben die Wachstumserwartungen einiger Unternehmen ins Wanken gebracht. Doch die Autohersteller arbeiten mit Hochdruck am Umbau ihrer Strukturen. Vorstöße, mit Partnern eigene Prozessoren zu entwickeln, gehören genauso dazu wie ein engerer Informationsaustausch als Frühwarnsystem bei Lieferschwierigkeiten.

Halbleiter

Zu den Produkten, die vielerorts knapp geworden sind, zählen vor allem Halbleiter. Das hat längst nicht nur mit coronabedingt erkrankten Arbeitern oder infolgedessen geschlossenen Häfen zu tun. Seit Jahren steigt die Nachfrage, weil Microchips als Bauelemente in immer neue Produkte Eingang finden: in Fahrzeuge und Computer, Reiskocher und Mobiltelefone, in der Medizintechnik und der Fotografie. Da die Nachfrage nach vielen Produkten, in denen Halbleiter verbaut werden, stabil ist, profitieren davon die Chiphersteller.

Chancen in weiteren Branchen

Neben den wenigen Wirtschaftszweigen, die direkt von der Nachfrage nach Transport und Logistik profitieren, bieten die aktuellen Lieferschwierigkeiten auch anderen Unternehmen Chancen, effizienter zu werden und sich besser aufzustellen. Angesichts der Herausforderungen und Veränderungen in den betroffenen Branchen ist es für Anleger*innen interessant, diese Entwicklungen für ihr eigenes Portfolio und ihre Anlagestrategie im Blick zu behalten.

Kurz gesagt
  • Die Coronakrise hat die Komplexität der globalen Handelsbeziehungen besonders deutlich gemacht.

  • Nachhaltigeres Wirtschaften und wachsender Protektionismus werden den internationalen Warenaustausch künftig weiter verändern.

  • Unternehmen müssen sich auf den Wandel einstellen, doch Veränderung gelingt nicht über Nacht.

  • Für Anleger*innen bietet der Wandel in Produktion, Logistik und Arbeitsteilung interessante Chancen am Finanzmarkt.

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