Rund 1,5 Milliarden US-Dollar hat der Autobauer Tesla in Bitcoin investiert, mehr als ein Zehntel seiner liquiden Mittel. Die Zahlungsdienstleister Paypal und Visa akzeptieren die digitale Währung. Beim Essensdienst Lieferando lassen sich Pizza und Pasta schon eine ganze Weile so zahlen. Unterdessen ist Coinbase, ein Handelsplatz für Kryptogeld, im April mit der spektakulären Bewertung von 76 Milliarden US-Dollar an der New Yorker Börse Nasdaq gestartet.
Trotz des Hypes um das digitale Geld, das auch als Kryptowährung bekannt ist, müssen sich Anleger*innen darüber im Klaren sein, dass die Bewertungen längst nicht nur eine Richtung kennen. Als Tesla-Chef Elon Musk Mitte Mai verkündet hat, Bitcoin anders als geplant nicht für den Kauf seiner Autos zu akzeptieren, stürzte der Preis der digitalen Münzen um 17 Prozent ab. Zur Begründung verwies Musk auf die schlechte Klimabilanz wegen des hohen Energieverbrauchs bei der Schaffung des Geldes.
110 Terrawattstunden Stromverbraucht allein die Herstellung des Bitcoin pro Jahr. Das entspricht dem Stromverbrauch der Niederlande. Verantwortlich sind die benötigten Rechnerkapazitäten.
Bewertungsausschläge hin oder her, Bitcoin & Co. haben es geschafft, das Skandalimage, das ihnen nach Betrügereien und Geldwäschevorwürfen lange anhaftete, allmählich abzulegen. Immer mehr große Geldhäuser nehmen die Anlageklasse ins Programm auf. Selbst Zentralbanken beschäftigen sich intensiv mit dieser Form von Währungen. Doch was steckt hinter der Idee des digitalen Geldes? Wer kann davon profitieren? Und welche Gefahren lauern für Anleger*innen?
Was sind eigentlich digitale Währungen?
Längst nicht alles Geld in elektronischer Form ist digitale Währung. Wer eine Amazon-Bestellung mit Kreditkarte zahlt oder die Hotelkosten für einen Urlaub überweist, führt zwar die Zahlung ohne physisches Geld durch. Doch die elektronischen Versionen von Euro, Dollar oder Pfund Sterling zählen nicht zu den Kryptowährungen.
Vielmehr versteht man darunter eine Werteinheit, die durch einen komplexen Algorithmus kryptografisch verschlüsselt ist. Grundsätzlich dient sie, wie auch gesetzliche Zahlungsmittel, zur Wertaufbewahrung oder für den Handel. Die Krypto-Münzen unterliegen keiner staatlichen Kontrolle, ihre Rolle als Zahlungsmittel ist nicht durch Aufsichtsbehörden abgesichert. Werden Kryptowährungen übertragen, kommen keine Finanzintermediäre wie Banken ins Spiel.
Stattdessen entstehen die digitalen Einheiten in dezentralen Netzwerken. Der zugehörige Algorithmus gibt ihre Menge vor: Weltweit wird es beispielsweise maximal 21 Millionen Bitcoin geben. Auch diese Obergrenze unterscheidet limitierte Krypto-Münzen von klassischem Geld, bei dem die Zentralbank die Geldmenge flexibel kontrolliert.
Kryptowährungen basieren auf einer Technologie namens Blockchain. Das ist eine dezentralisierte Datenbank, verteilt auf eine Vielzahl von Computern, in der sämtliche Transaktionen aufgezeichnet werden. Die Datensätze sind mit Hilfe eines kryptografischen Verfahrens verkettet. Daher rührt der Name: Datensätze, englisch „block“, in einer Kette, also „chain“.
Transaktionen bauen aufeinander auf, sie werden dem Datensatz mit einem Zeitstempel zugefügt. Manipulieren lassen sie sich nachträglich nicht, so ist das System gesichert. Vergleichen lässt sich die Blockchain mit einer besonders sicheren, dezentralen Buchführung, in der jeweils der aktuelle Zustand dokumentiert werden muss, weil viele Teilnehmer an der Buchführung beteiligt sind. Die Methode ist auch als Distributed-Ledger-Technologie (DLT) bekannt.
Wo kommen die Münzen her und wo werden sie gespeichert?
Die genauen Anfänge der digitalen Währungen bleiben ein Mysterium. Klar ist, dass das Konzept zurückgeht auf eine Produktbeschreibung, die 2008 unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto veröffentlicht wurde.
Neue Bitcoins entstehen beim „Schürfen“. Dafür lösen Computer extrem komplizierte Rechenaufgaben, bei denen sie Informationen in bestehenden Bitcoins entschlüsseln, die von einem Algorithmus in eine zufällige Zeichenfolge zerlegt worden sind.
Beim Schürfen lösen Computer extrem komplizierte Rechenaufgaben, bei denen sie Informationen in bestehenden Bitcoins entschlüsseln.
Wer nicht selbst schürft, kann digitale Währungen an speziellen Handelsplätzen erwerben. In Deutschland hat die Börse Stuttgart zwei Plattformen am Start, die Börse Stuttgart Digital Exchange und die App Bison. Bitcoin.de, Bitwala und Justtrade sind weitere Anbieter. Noch sehr viel mehr Auswahl bieten internationale Handelsplätze. Die deutschen Adressen kooperieren mit Banken im Inland, die von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) reguliert werden. Das schafft Sicherheit.
Aufbewahren lassen sich die Münzen in einer „Wallet“, einer elektronischen Geldbörse. Sie ist entweder mit dem Internet verbunden (hot storage) oder offline (cold storage).
Die dunkle Seite: Kursschwankungen und zwielichtige Geschäfte
Erste Erfolge feierten die digitalen Währungen bei Technik-Freaks und Libertaristen, die hofften, dass das neue Geld den staatlichen Einfluss auf den Finanzsektor zurückdrängen könne. Zwei Jahre nach dem Start wurde Bitcoin zum ersten Mal gehandelt, als der Programmierer Laszlo Hanyez 10.000 Bitcoin dafür auslobte, ihm zwei Pizzas nach Hause zu liefern. Es dauerte vier Tage, bis ein anderer Krypto-Fan auf das Angebot einging. Wenn dieser geduldig blieb, war sein Pizza-Geld Mitte Mai 2021 rund 500 Millionen Dollar wert.
Die Währung durchlebte einen wilden Bewertungsritt: 2013 ein Rekord bei rund 1.000 Dollar, dann ein schneller Absturz um mehr als ein Drittel. Ende 2017 notierte ein Bitcoin über 18.000 Dollar, ein Jahr später war es mit gut 3.000 Dollar nur noch ein Sechstel. Mitte April wurde mit mehr als 63.000 Dollar der jüngste Rekord verzeichnet, ein paar Tage später kostete eine Münze schon wieder 10.000 Dollar weniger.
63.000 $war der jüngste Rekord des Bitcoin Mitte April 2021, im Mai lag der Kurs schon wieder unter 35.000 US-Dollar.
Passend zu den Wertausschlägen ranken sich um das digitale Geld spektakuläre Geschichten. In Newport in Wales hat ein Einwohner 2013 die Festplatte seines Rechners mit 7.500 Bitcoin in den Müll geworfen. Inzwischen bietet er seiner Heimatgemeinde ein Viertel des heutigen Wertes, wenn sie ihn die Mülldeponie des Ortes nach dem Schatz durchsuchen lassen. Und nach dem Tod des Vorstandschefs eines Krypto-Marktplatzes waren Tausende Bitcoins weg, da er allein den Passwort-Schlüssel zu dem Vermögen kannte.
Schlagzeilen machte die Währung aber auch wegen Pleiten, Betrugsvorwürfen und Geldwäsche. Am Handelsplatz Mt.Gox verschwanden Bitcoin. Münzen wurden in Zusammenhang gebracht mit der Beschaffung von illegalen Drogen im Dark Web, dem von illegalen Aktivitäten geprägten Bereichen des Internet, die nur mit spezieller Software zugänglich sind.
Währungsvielfalt von Ripple bis CBDC
Die Ursprungswährung Bitcoin buhlt längst mit jeder Menge ähnlich gestalteter digitaler Währungen um die Gunst der Anleger*innen. Mehr als 4.000 sind es inzwischen; Ripple, Ether, Dogecoin und Litecoin zählen zu den größten.
Dazu kommen sogenannte Stablecoins. Sie sind gekoppelt an den Wert einer Währung, eines Währungskorbs oder einer Anlageklasse wie Gold, durch die sie gedeckt sind.
Eine Reihe von Zentralbanken prüfen die Ausgabe eigener digitaler Währungen.
Die nächste, fundamentale Ergänzung des Angebots ist schon in Sicht. Eine Reihe von Zentralbanken, die traditionellen Währungshüter, prüfen die Ausgabe eigener digitaler Währungen. Diese Variante ist als Central Bank Digital Currencies (CBDC) bekannt. Auf den Bahamas ist der „Sand-Dollar“ bereits im Umlauf. Auch die EZB, die Bank of England und die Federal Reserve in den USA beschäftigen sich mit dem Thema. Dabei geht es um eine Ergänzung zu Bargeld und Bankeinlagen und darum, Wettbewerb, Effizienz und Innovation im Zahlungsverkehr zu sichern.
Bestenfalls eine Beimischung bei der Anlagestrategie
Wer mit Kryptowährungen wie Bitcoin, Ripple oder Litecoin Erfahrungen sammeln möchte, sollte sich die Risiken der Anlage klar vor Augen führen. Da ist zunächst die erhebliche Volatilität, die zwar mit dem richtigen Einstiegszeitpunkt eine Chance darstellt, aber für termingebundene Verkaufswünsche eine Hürde sein kann. Auch als Zahlungsmittel ist das Kryptogeld wegen dieser großen Schwankungen ungeeignet – und auch, weil mit Bitcoin in der Sekunde weniger als zehn Transaktionen möglich sind.
Anders als bei Aktien oder Rohstoffen steht kein realer Wert hinter der Münze und auch kein geprüfter Emittent wie bei einer Anleihe.
Anders als bei Aktien oder Rohstoffen steht kein realer Wert hinter der Münze und auch kein geprüfter Emittent wie bei einer Anleihe.
Daneben drohen regulatorische Risiken. Im April hat die Türkei den Einsatz von Bitcoin als Zahlungsmittel verboten. Indien plant laut Medienberichten, den Besitz der digitalen Währung komplett zu untersagen. In den USA ist eine Verschärfung des Geldwäschegesetzes in Vorbereitung, nach der sich jeder ausweisen muss, der Krypto-Transaktionen mit mehr als 3.000 Dollar durchführt. Auch die schlechte Klimabilanz könnte dazu führen, dass Kryptowährungen stärker in den Fokus der Aufseher rücken.
Letztlich beruht der Krypto-Hype zu einem großen Teil in der Hoffnung auf einen sicheren Wertspeicher. Vergleichen lässt sich das ein wenig mit Gold, denn bei beiden fehlen Dividende und Zinsen. Zwar lassen sich die digitalen Münzen einfach auf einem Telefon oder Laptop aufbewahren statt in einem Safe. Dafür bietet das Edelmetall aber Einsatzmöglichkeiten in der realen Welt und mehr Wertstabilität.
Im Resümee bleiben Kryptowährungen eine exotische Anlageform. Anleger*innen, die dennoch Lust auf dieses Experiment haben, sollten lediglich einen kleinen Anteil ihres Vermögens dafür einsetzen, dessen Verlust gegebenenfalls zu verschmerzen ist.