Alena Maurer ist eine der besten E-Sportler*innen Deutschlands, wenn es um das Online-Strategiespiel „League of Legends“ geht. Dort trägt sie den Namen „Tifa“. Sie wird von der „esports player foundation“ gefördert und besitzt ein Stipendium der DKB. Evangelos Papathanassiou ist Mitgründer der „esports player foundation“, die sich für die Förderung von E-Sport-Talenten in Deutschland einsetzt.
Hallo Alena, du bist heute eine der besten Spieler*innen des Strategiespiels „League of Legends“ in Deutschland. Aber was war dein erstes Videospiel?
Alena Maurer: Ich habe als Kind mit der ersten Playstation angefangen und vor allem „Crash Bandicoot“ gespielt. Das ist ein klassisches Jump’n’Run-Spiel, in dem man einen Dachs über Hindernisse und durch verschiedene Spielewelten steuert. Dann kam „Tekken“ hinzu, ein Kampfspiel. Beide Spiele gibt es auch heute noch. Mein Interesse hat sich dann hin zu komplexeren Spielen entwickelt. Aber ich habe auch gern „Snake“ auf dem Handy gespielt.
Wie war das bei dir, Evangelos?
Evangelos Papathanassiou: Ich bin 48 Jahre alt und mein erstes Videospiel war in der Tat „Pong“. Das lief auf der Universum-Konsole, die man im Quelle-Katalog bestellen konnte, mit Reglern, die man hoch und runter schieben musste. Die ersten anspruchsvolleren Videospiele kamen dann auf der Intellivision-Konsole. Ich erinnere mich vor allem gern an ein Spiel namens „Burger Time“, bei dem man als Koch Hamburger zusammenstellen musste.
Videospielen ist eine geistige Höchstleistung.
Evangelos Papathanassiou, Mitgründer der „esports player foundation“
Was ist das Faszinierende am Videospielen?
Evangelos Papathanassiou: Mich fasziniert der Wettkampfcharakter. Das war schon immer so. Mich kriegst du bei großen Sportveranstaltungen nicht weg vom Fernseher. Und mittlerweile erwischst du mich am Sonntagabend dabei, wie ich E-Sportler*innen bei „Clash Royale“ (ein Online-Strategiespiel, Anmerkung der Redaktion) zugucke. An Spieler*innen wie Alena beeindruckt mich auch die strategische Weitsicht. Taktische Entscheidungen müssen in „League of Legends“ innerhalb von Millisekunden getroffen werden. Du kannst in den ersten Minuten des Spiels schon einen Fehler machen, der dir 30 Minuten später auf die Füße fällt. Videospielen ist eine geistige Höchstleistung. Zudem braucht man motorische Fähigkeiten, um im passenden Moment den richtigen Knopf zu drücken. Das ist bei E-Sportler*innen wie Alena aber schon in Fleisch und Blut übergegangen.
Wie kann man sich das vorstellen, Alena?
Alena Maurer: Keyboard und Maus sind sozusagen Erweiterungen meines Körpers. Mich fasziniert auch der Wettkampf und dass man im Team spielt – wie bei „League of Legends“. Ich mag es, mit anderen Leuten zu spielen und sich individuell sowie als Team zu verbessern. Das macht mir sehr viel Spaß.
Dass Freundschaft wichtig ist, habe ich unter anderem durch Videospiele gelernt.
Alena Maurer, E-Sportlerin und Stipendiatin der „esports player foundation“
Das klingt, als sei Videospielen für euch immer schon mehr als ein loser Zeitvertreib gewesen?
Evangelos Papathanassiou: Videospiele sind mittlerweile Kulturgüter, in denen Geschichten erzählt werden. So wie im Film und im Buch. Durch das Interaktive beim Spielen kannst du dich aber noch viel mehr mit jemandem identifizieren, weil du Einfluss auf seine Handlungen hast. Verstärkt wird das durch die realistische Grafik, die heutzutage technisch möglich ist. Beim Western-Spiel „Red Dead Redemption II“ kannst du beispielsweise komplett in eine Cowboy-Welt eintauchen und dich frei darin bewegen.
In welches Spiel bist du so richtig eingetaucht, Alena?
Alena Maurer: Mein Lieblingsspiel seit der Kindheit ist Final Fantasy VII. Mein Name in „League of Legends“ ist „Tifa“, nach einem der Hauptcharaktere aus dem Spiel. Die Geschichte wird so erzählt, wie wenn du ein Buch liest. Man kann sich darin vertiefen und gleichzeitig spielen. Auch die Werte der Hauptfiguren gefallen mir sehr gut. Ich versuche auch im echten Leben so zu sein wie Tifa, sie ist mein Vorbild.
Ausgehend von euren persönlichen Erfahrungen möchten wir auch über die Branche sprechen. Evangelos, welche Themen treibt die Gaming-Branche gerade um?
Evangelos Papathanassiou: Ein wichtiger Bereich ist das Cloud-Gaming und der Wandel hin zu In-Game-Käufen. Das Geschäftsmodell, dass man für 60 Euro ein Spiel im Laden kauft und offline spielt, wird bald verschwinden. Zukünftig wird man Spiele ausschließlich über das Internet beziehen und dort spielen. Die Branche ist digital groß geworden und meistert diese Transformation besser als andere Branchen.
Das Geschäftsmodell, dass man für 60 Euro ein Spiel im Laden kauft und offline spielt, wird bald verschwinden.
Evangelos Papathanassiou, Mitgründer der „esports player foundation“
Was genau macht E-Sport zu einem Sport?
Evangelos Papathanassiou: Es ist der Wettkampf Mensch gegen Mensch. Das Videospiel ist dabei wie ein Schachbrett. Es liefert die Rahmenbedingungen und Regeln, nach denen Sieger*innen und Verlierer*innen ermittelt werden. Für den Erfolg sind aber die Fähigkeiten von Menschen entscheidend – nicht Glück oder Zufall. Fähigkeiten kannst du trainieren, zum Beispiel in isolierten Spielsituationen oder bei der Analyse gesamter Spielverläufe.
Für den Erfolg sind aber die Fähigkeiten von Menschen entscheidend – nicht Glück oder Zufall.
Evangelos Papathanassiou, Mitgründer der „esports player foundation“
Wie ist E-Sport in Deutschland organisiert?
Evangelos Papathanassiou: Das ist von Spiel zu Spiel verschieden. Der E-Sport lässt sich eigentlich am besten entlang von Spielen und Wettbewerben systematisieren. Bei „League of Legends“ gibt es in Deutschland erst seit 2020 einen Ligabetrieb, ähnlich wie die Fußball-Bundesliga. Allerdings läuft eine Saison nur über ein paar Monate. Dann gibt es Spiele, für die es einzelne Turniere gibt, ähnlich wie bei einer ATP-Tour im Tennis. Eine weitere Analogie sind auch Leichtathletikveranstaltungen, bei denen viele unterschiedliche Disziplinen parallel laufen. Zu vielen Spielen gibt es auch gar keine nationalen Wettbewerbe.
Die Mission der „esports player foundation“ ist es, E-Sportler*innen wie Alena zu helfen, ihrer Leidenschaft nachgehen zu können und erfolgreich zu sein. Die Top-Athlet*innen sollen wie im Breitensport als Vorbilder für die Millionen Gamer*innen dienen. Die „esports player foundation“ agiert dabei als Non-Profit-Organisation. Die DKB fördert Alena und drei weitere Talente durch Stipendien.
Alena, als professionelle E-Sportlerin, wie ist dein Verhältnis zum traditionellen Sport?
Alena Maurer: Ich achte auch darauf, zu Hause Sport zu machen. Dank meines Stipendiums und der „esports player foundation“ habe ich seit neuestem auch eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio. Nach dem Corona-Lockdown werde ich diese nutzen. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass dieser Ausgleich wichtig ist und man sich dadurch im Spiel besser konzentrieren kann.
Mit der Zeit habe ich gelernt, dass dieser Ausgleich wichtig ist und man sich dadurch im Spiel besser konzentrieren kann.
Alena Maurer, E-Sportlerin und Stipendiatin der „esports player foundation“
Was gehört noch zur Förderung, Evangelos?
Evangelos Papathanassiou: Für professionelle Spieler*innen ist es schlichtweg Pflicht, sich physisch fit zu halten. Spieler*innen auf diesem hohen Niveau müssen sich unbedingt mit gesunder Ernährung, Verschleißerscheinungen, körperlichem Ausgleich etc. befassen. Es geht eben auch um eine stärkere Professionalisierung, denn Talent allein reicht nicht mehr aus. Die Athlet*innen müssen sehr hart arbeiten und ständig analysieren, wo noch Prozente rauszuholen sind. Dabei unterstützen wir sie als „esports player foundation“.
Alena, wie sieht ein Tag im Leben einer E-Sportlerin aus?
Alena Maurer: Ich beginne den Tag meistens mit einem gesunden Frühstück und etwas Sport. Dann trainiere ich mit meinem Team. Dafür treffen wir uns online zu einer festen Zeit für ein Trainingsspiel. Ein „League of Legends“-Team besteht aus 5 Leuten, wobei jeder im Spiel seine eigene Rolle hat. Ich zum Beispiel bin der Magier und kann auch nur diese Rolle wirklich gut spielen.
Aber das Spielen nimmt schon ungefähr einen Arbeitstag ein.
Alena Maurer, E-Sportlerin und Stipendiatin der „esports player foundation“
Wie wird im E-Sport Geld verdient?
Evangelos Papathanassiou: Im Jahr 2020 wird der globale E-Sport-Markt das Umsatzvolumen von 1 Milliarde Euro knacken. Im Vergleich zur Gaming-Branche ist das zwar noch sehr wenig, aber es gibt ein enormes Wachstum von derzeit circa 20 Prozent. Deutschland ist der größte europäische E-Sport-Markt. Verdient wird dabei an jeder Ecke. Den Spieleentwicklern gehört das Spiel, sie legen damit auch dessen Regeln fest. Teilweise unterhalten die Entwicklungsstudios auch selbst Ligen und vergeben Lizenzen an Teams.
Deutschland ist der größte europäische E-Sport-Markt. Verdient wird dabei an jeder Ecke.
Evangelos Papathanassiou, Mitgründer der „esports player foundation“
Zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft. Wie spielen wir denn in 20 Jahren?
Alena Maurer: Die Spielewelten werden noch realer sein, sodass sich der Übergang natürlicher anfühlen wird. Das Unmögliche wird möglich werden. Das ist ja heute schon die Faszination von Videospielen.
Wie siehst du die Zukunft in 20 Jahren, Evangelos?
Evangelos Papathanassiou: Die Rechen-Power wird dann im Netz liegen, nicht mehr auf der Konsole oder dem PC. Technologisch wird aber noch viel mehr passieren. Wie Alena sagte, werden wir kaum noch wahrnehmbare Grenzen zwischen Realität und Videospiel haben. Auch die Komplexität von Spielen wird zunehmen. Mir als Spieler werden sehr große, kaum ergründbare Welten zur Verfügung stehen. Wir werden uns streiten, was die nettere „Realität“ ist: die da draußen oder die im Spiel. In 20 Jahren werden in den virtuellen Welten unmögliche Dinge möglich sein, die riesigen Spaß machen werden, weil sie sich echt anfühlen. Ich glaube, das wird ein goldenes Zeitalter. Sowohl für Gelegenheitsspieler*innen als auch den E-Sport. Ich kann es kaum erwarten!