In Deutschland und anderswo wächst durch die zunehmenden Impfungen die Hoffnung auf ein Ende der Corona-Pandemie. Gleichzeitig fragen sich immer mehr Menschen, welche Folgen Corona langfristig für Wirtschaft und Gesellschaft haben wird. In einigen wichtigen Volkswirtschaften kehren zahlreiche Branchen bereits auf Vorkrisenniveau zurück, und besonders die jüngsten Konjunkturdaten aus den USA und China stimmen hoffnungsvoll. Aufgrund der weltweit unklaren Entwicklung der Pandemie und wegen neuer Virusvarianten bleiben aber Fragezeichen. Dieser Trendartikel beleuchtet eine „neue Normalität“ in vier Branchen, welche Entwicklungen die Wirtschaft langfristig prägen und wie Anleger*innen davon profitieren können.
In einigen wichtigen Volkswirtschaften kehren zahlreiche Branchen bereits auf Vorkrisenniveau zurück.
Einzelhandel: Alles neu und online?
Anfang 2020 wusste kaum jemand, was „Click and Collect“ ist, und es klang nach einer Szene aus einem fernen Land, sich zum Schuhkauf anstellen zu müssen. Gerade der Einzelhandel hat sich besonders oft an Pandemieregeln anpassen müssen. Während Unternehmen mit starkem Online-Angebot ihre Erfolge noch weiter ausbauen konnten, spürten andere ihre strategischen Versäumnisse besonders deutlich. Gut lief es aber nicht nur für Platzhirsch Amazon, sondern auch für kleine Spezialhändler*innen mit den passenden technischen Lösungen. Egal, ob es um Fahrradgeschäfte oder Teeläden ging: Viele Menschen haben in der Pandemie ihre lokalen Angebote vor Ort neu schätzen gelernt und diese auch online unterstützt.
Die Pandemie hat Dienstleistungen einen Schub gegeben, deren Entwicklung sonst viel mehr Zeit gebraucht hätte, beispielsweise bessere Online-Shop-Angebote, neue Supermarkt-Lieferdienste oder innovative Zahlungs- und Lieferinfrastrukturen von Anbietern wie Shopify. Als aussichtsreich gelten derzeit finanzstarke Handelsmarken, die in neue Technologien mit langfristigem Potenzial investieren, beispielsweise in Künstliche Intelligenz (KI) beim automatisierten Online-Shopping.
Gastronomie: Außer-Haus-Markt boomt
Geliefertes Essen galt in Deutschland lange als Synonym für Pizza. Dies hat sich jedoch spätestens seit dem Ausbruch der Pandemie geändert. Börsennotierte Lieferdienste wie Doordash, das zum holländischen „Just Eat Takeaway“ gehörende Lieferando und das im August 2020 in den DAX aufgestiegene Unternehmen Delivery Hero haben ihren endgültigen Durchbruch erlebt. Mit ihrem Geschäftsmodell zur Vermittlung und Abwicklung von Onlinebestellungen an Restaurants haben sie von der Corona-Krise mit geschlossener Gastronomie klar profitiert – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit in von Corona-Einschränkungen betroffenen Ländern.
Daher hilft es bei der Geldanlage, den Blickwinkel aus Deutschland heraus zu weiten, denn gerade börsennotierte Essensketten sind oft global tätig und müssen deshalb die weltweite Pandemieentwicklung beobachten. Die Zukunft wird hier zeigen, wie weitere Lockerungen und der Wegfall von Corona-Maßnahmen die Nachfrage nach Lieferdiensten und die jeweiligen Aktiennotierungen beeinflussen werden.
Gesundheit: Angebote werden digitaler
Gerade in Krisenzeiten vermittelt das eigene Wohlbefinden vielen Menschen Sicherheit und Stabilität. Gesundheit kann daher als zentraler Megatrend der letzten 12 Monate gesehen werden. Im bisherigen Verlauf der Pandemie haben dabei besonders in den USA digitale Angebote von Gesundheitsdienstleistern zugenommen: Die Beratungsfirma McKinsey hat errechnet, dass nach einem Höhepunkt von rund 32 Prozent aller Gesundheitstermine im April 2020 nun zwischen 13 und 17 Prozent der Arztbesuche virtuell vorgenommen werden. Auch neue Geräte für Diagnose und Behandlungen in der Heimanwendung sind wichtiger geworden.
Mit den Corona-Impfstofflieferanten gibt es zudem Aktientitel, die vor zwei Jahren kaum bemerkt wurden, aber nun im Licht der Öffentlichkeit stehen. BioNTech und Moderna haben eine beeindruckende Kursentwicklung verzeichnet. Dennoch bleiben Unsicherheiten in der Branche, weil viele Pharmaunternehmen unter hohen Kosten ihre Lieferketten umbauen wollen: weg von asiatischen Produktionsstandorten hin zu mehr regionaler und lokaler Unabhängigkeit.
Tourismus: Noch ein langer Weg
Die Tourismus- und Reisebranche war sehr früh von der Pandemie betroffen, Unternehmen wie TUI, FTI Touristik und die Lufthansa waren in Deutschland sogar auf staatliche Unterstützung angewiesen. Inzwischen scheint die Nachfrage nach privaten Tourismusangeboten und Entertainment vor allem im Inland ungebrochen, davon könnten an der Börse auch Anbieter wie das Musical-Unternehmen Stage, der Unterhaltungsriese Disney mit seinen Vergnügungsparks oder börsennotierte Kinoketten profitieren.
Offen ist aber die Entwicklung im Segment Geschäftsreisen. Möglich ist hier ein bleibender Trend zu mehr virtueller Arbeit und weniger Konferenzen, der sich dann nachteilig auf Fluggesellschaften und Hotellerie auswirken könnte – fraglich ist zudem, wie lange Einreisebeschränkungen einzelner Länder noch gelten oder ob eventuell neue hinzukommen. Prognosen zum weltweiten Flugaufkommen sind daher vorerst schwierig, die Börsenkurse mancher Fluggesellschaften wie Lufthansa, Ryanair oder Korean Air zeigen aber seit Jahresbeginn wieder aufwärts. Ähnlich verläuft die Entwicklung bei Buchungsportalen wie Expedia oder Booking.com.
Ausblick: Turnaround oder Transformation?
Auch wenn in Deutschland die Hoffnungen auf ein Ende der Corona-Krise groß sind: Die für viele Aktien- und Anlagetitel wichtige weltweite Konjunkturperspektive bleibt unsicher, wie zuletzt die Auswirkungen der sich verbreitenden Delta-Mutante des Coronavirus deutlich gezeigt haben.
Fest steht aber, dass Innovationen wie die Corona-Impfstoffe oder neue Möglichkeiten der Digitalisierung, etwa verstärktes Online-Shopping oder Videocalls, durch die Pandemie einen Schub bekommen oder ihren Durchbruch erlebt haben – hierauf lohnt für Anleger*innen besonders ein Blick. Durch die Rückkehr zu mehr Normalität dürften nach und nach andere Themen wieder stärker in das Bewusstsein der Gesellschaft vordringen, darunter Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Mobilität und Verkehr – auch das eröffnet Anlagechancen in börsennotierte Unternehmen in diesen Bereichen.