Zinswende, Finanzkrise, Pandemie, in einer Branche platzt eine Investmentblase, eine große Volkswirtschaft schlittert in die Rezession – die Auslöser von Börsenkrisen können ganz unterschiedlich sein. Manchmal zeichnen sich Gefahren im Vorfeld ab, wenn Warnindikatoren ausschlagen. Für viele Marktteilnehmer*innen kommt der Einbruch dennoch aus heiterem Himmel.
Für Anleger*innen ist es ganz natürlich, in Phasen extremer Ausschläge bei den Bewertungen ihre Anlagestrategie ein Stück weit zu hinterfragen. Umso mehr gilt das, wenn der Crash der erste ist, den du an der Börse miterlebst. Doch du darfst nicht vergessen, dass auch eine Abwärtsbewegung zahlreiche Chancen bietet. Die folgenden Tipps helfen dir, unruhige Zeiten im Depot gut zu überstehen – und im besten Fall sogar lukrativ zu nutzen.
1. Ruhe bewahren
Oberstes Gebot: Lass dich nicht verrückt machen! Auch wenn die Kurse im Portfolio seit Tagen rot angezeigt werden und mit einem Minus versehen sind, ist impulsives Handeln keine sinnvolle Strategie. Die Erfahrung zeigt, dass zu dem Zeitpunkt, an dem private Anleger*innen über einen Ausstieg nachdenken, oft schon ein großer Teil des Abschwungs vollzogen ist.
Hinzu kommt, dass der Verkauf zusätzliche Kosten verursacht, die du im Blick behalten musst. Transaktionskosten fallen an, und falls du trotz Abschwung unter dem Strich einen Gewinn erwirtschaftet hast, kommen noch Steuern hinzu. Wer also überhastet aussteigt, versetzt seinen Finanzen womöglich einen weiteren Dämpfer. Insbesondere gilt das, wenn dir nicht klar ist, was du mit dem Geld im nächsten Schritt machen willst. Ist das Vermögen auf dem Girokonto geparkt, wird zwar der Blick ins Portfolio weniger unangenehm. Doch angesichts von Inflation und entgangenen Kurschancen zahlt sich diese Alternative perspektivisch nicht aus.
Stets den richtigen Zeitpunkt am Markt für den Ein- und Ausstieg in Wertpapiere zu finden, gelingt ohnehin niemandem. Versuche stattdessen einen Mittelweg: Verfalle nicht in Panik und prüfe nicht mehrmals täglich die Kurse. Verschließe aber auch nicht die Augen vor der Entwicklung, denn jetzt ist ein guter Zeitpunkt, deine Anlagestrategie wieder einmal wohlüberlegt auf ihre Richtigkeit zu prüfen.
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2. In langen Fristen denken
Das Ende des Börsen-Booms wird von Fachleuten regelmäßig ausgerufen. Die Vergangenheit zeigt etwas anderes. Auch wenn der Blick zurück keine Garantie für die Zukunft ist, wird deutlich: Über lange Zeiträume – wenn du nicht in Wochen und Monaten, sondern in Jahren und Jahrzehnten denkst – liefern Aktien bei allem Auf und Ab eine jährliche Rendite von durchschnittlich sieben bis acht Prozent.
DAX-Index-Entwicklung seit 1988
Quelle: Deutsche Börse AG, DAX Performance-Index, Stand: Juli 2019
Außerdem geht längst nicht jede Finanzkrise Hand in Hand mit einem Abschwung der Realwirtschaft. Doch selbst wenn die Zeichen auf Rezession stehen: Es gibt zahlreiche Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen auch in schwierigen Zeiten gefragt sind. Gerade sie können verlässlich Dividenden ausschütten, was sich für dich bezahlt macht.
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3. Das Portfolio unter die Lupe nehmen
Deine Auswahl an Wertpapieren solltest du ohnehin regelmäßig prüfen. Gelten die Gründe, die dich zum Kauf einzelner Aktien oder Fonds bewogen haben, weiter? Haben sich politische Risiken verschoben? Hat eine Branche im Konjunkturzyklus womöglich den Zenit überschritten? Wenn du diesen Check länger nicht vorgenommen hast, ist jetzt ein guter Zeitpunkt.
Die Ergebnisse deiner Analyse solltest du nicht auf die lange Bank schieben. Das heißt, dich rasch von Wertpapieren zu trennen, deren Chancen du für eingetrübt hältst. Und dafür möglichst bald neue Anlagen ins Depot legen, für die die Zeichen gut stehen. Besonders wichtig ist dieser Check bei riskanteren Investitionen. Während du mit einem Exchange Traded Fund (ETF), der das globale Aktienuniversum abdeckt und dein Risiko breit streut, meist gut aufgestellt bist, kann sich die Lage für die Aktie eines Unternehmens, das in einem einzigen Markt aktiv ist, schnell und fundamental ändern.
Auch die Aufteilung auf Assetklassen solltest du dir vornehmen. Deutliche Änderungen der Bewertungen können deine Vermögensallokation verschieben. Dann ist es Zeit für das sogenannte Rebalancing, um die Verhältnisse zwischen Aktien, Anleihen, Immobilien, Rohstoffen und anderen Anlagen wieder ins Lot zu bringen.
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4. Zusammenhänge besser verstehen
Krisenzeiten sind Lehrzeiten. Sie legen Zusammenhänge offen, die auch Fachleute nicht immer auf dem Schirm haben. In den vergangenen Jahren ist das regelmäßig passiert. Eine Immobilienblase platzt – und führt über Umwege zu Turbulenzen am Geldmarkt. Unerwartet deutliche Zinsanpassungen zerstören nicht nur die Absicherungsstrategie von Pensionsfonds, sondern bringen diese in ernste Bedrängnis.
Für dich kann das ein guter Aufhänger sein, dir volkswirtschaftliche Zusammenhänge genauer anzuschauen. Was bedeuten steigende Zinsen für mein Portfolio? Welchen Einfluss haben Wechselkurse auf die Bewertung eines Industriezweiges? Wie wirkt sich die strengere Regulierung für eine bestimmte Branche aus?
Auch den politischen Kontext solltest du nicht unterschätzen. Politische Risiken haben in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Diplomatische Verwerfungen, Handelskriege oder gewaltsame Auseinandersetzungen können Lieferketten unterbrechen und den Zugang zu Rohstoffen und Zulieferern erschweren. Derartige Verwerfungen können Unternehmen einen plötzlichen Schub verleihen, aber auch ganze Branchen schwer beeinträchtigen. Behalte daher die Nachrichten im Blick, mache dir Gedanken über ihre Folgen und berücksichtige das in deiner Anlagestrategie.
5. Gezielt auf Anlageklassen setzen
Hast du eine umfassende Einschätzung der aktuellen Lage vorgenommen, kristallisieren sich dabei Unternehmen, Branchen und Regionen heraus, die von der Situation profitieren – oder zumindest nicht darunter leiden. Die potenziellen Werte mit unterdurchschnittlicher Performance solltest du gegen diese Favoriten austauschen. Grundsätzlich gilt dabei die Devise, statt auf Wachstum vermehrt auf Wert zu setzen, etwa indem du Technologieunternehmen gegen Dividenden-Titel tauschst.
Denke aber auch an andere Anlageklassen als Aktien. Mit Unternehmensanleihen kannst du beispielsweise von den guten Aussichten einer Branche genauso profitieren. Und Rohstoffe, Immobilien oder Gold sowie einzelne Regionen, die wirtschaftlich gut dastehen, lohnen ebenfalls einen Blick.
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6. Mit Sicherungsstrategien arbeiten
Schätzt du die Lage als längerfristig ungünstig oder extrem volatil ein, kannst du auf eine ganze Reihe von Strategien zurückgreifen, um drohende Verluste zu begrenzen. Die einfachste davon ist die Stop-Loss-Order. Du kannst sie vorsorglich wie einen normalen Wertpapierauftrag erteilen. Bei der Order setzt du einen Kurs unterhalb der aktuellen Notierung fest, bei dem ein Verkaufsauftrag zum bestmöglichen Preis für das Papier ausgelöst wird. Das sichert bereits erzielte Gewinne und begrenzt Verluste.
Für den Kauf lässt sich eine solche Grenze mit einer Limit-Order setzen. Hast du Interesse an einem Papier, das dir noch zu teuer erscheint, setzt du einen niedrigeren Preis als den Marktpreis, zu dem dein Auftrag ausgeführt werden soll.
Für Expert*innen, die schon einige Erfahrung an der Börse haben, gibt es eine ganze Reihe weiterer Strategien. Beim Short Selling (deutsch: Leerverkäufe) profitierst du von fallenden Kursen. Dabei verkaufen Händler*innen geliehene Wertpapiere zum aktuellen Kurs, um sie später zu einem idealerweise niedrigeren Kurs zurückzukaufen. Die Differenz streichen sie als Gewinn ein und geben die Wertpapiere an die Verleiher weiter. Noch deutlicher kann sich ein Abwärtstrend der Kurse dank der Hebelwirkung mit Put-Optionsscheinen bezahlt machen. Im günstigsten Fall bedeutet das, dass du auch mit geringem Einsatz einen deutlichen Gewinn einstreichen kannst.
Aber Vorsicht: Solche Hebelstrategien gehen immer auch mit erheblichen Risiken einher, egal ob die Börse sich gerade turbulent zeigt oder nicht. Auch ein Totalverlust deines Einsatzes ist nicht ausgeschlossen. Über die Gefahren musst du dir im Klaren sein, die Methoden solltest du nur für einen kleinen Teil deines Vermögens nutzen.
7. Chancen erkennen
Auch eine schwierige Situation hat ihre Kehrseite. Sicher, sie kostet Nerven, bietet aber auch zahlreiche Chancen für deinen Vermögensaufbau. Aktien gibt es in der Krise zu deutlich günstigeren Bewertungen. Und auch wenn sich die Zukunft nicht vorhersagen lässt, zeigt die Vergangenheit: Diesen Abschlag können sie auf mittlere Sicht mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder aufholen, zum Wohle deines Depots.
Nicht zuletzt bieten günstigere Bewertungen an der Börse attraktive Kaufgelegenheiten. Die Aktie oder den Fonds, denen du weiter gute Wachstumschancen einräumst, kannst du dir quasi zum „Schnäppchenpreis” ins Depot legen. Daher solltest du dir auch gut überlegen, ob du Sparpläne aussetzt oder einfach weiterlaufen lässt. Schließlich bekommst du bei fallenden Kursen zum gleichen Preis mehr Papiere. Dank des Durchschnittskosteneffekts kann das deine Rendite unter dem Strich verbessern.
Auch wenn Verlusterfahrungen schmerzen: Steck den Kopf nicht in den Sand, sondern handle überlegt. Dann kann aus einer Krise auch eine Chance werden.
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